In feministischen Pornos geht es richtig zur Sache. Aber so, dass die weibliche Lust im Zentrum steht. Sexpositivismus heisst das – und das Ergebnis ist wesentlich weniger trocken als der Fachbegriff.
Als unlängst an einem Sonntag in Berlin mit viel Getöse die dreitägige Erotikmesse Venus zu Ende ging, fand zur gleichen Zeit am anderen Ende der Stadt eine kleine Preisverleihung statt. Da ging es auch um Erotik, um sehr handfeste noch dazu, nämlich um Pornos. Aber die hatten mit dem, was die 35'000 Besucher der Venus zu sehen bekommen hatten, wenig zu tun. Ausgezeichnet wurden zum ersten Mal in Europa feministische Pornofilme; der Pokal hatte, sehr charmant, die Form einer Auster. Organisiert wurde die Gegenveranstaltung zum Porno-Mainstream von Laura Méritt, Doktorin der Linguistik, Besitzerin eines Ladens für Sexspielzeug in Berlin und Begründerin des Labels PorYes, eines Gütesiegels für feministische Pornos.
Man muss nicht über ein ausgeprägt emanzipatorisches Gemüt verfügen, um beim Sehen von Pornos zum Schluss zu kommen: Da ist die Zeit stehen geblieben. Im Zentrum steht die Befriedigung des Mannes, sein Penis, seine Ejakulation. Dass Frauen in der Regel wenig mit Pornos anfangen können, hat damit zu tun: Ihre Lust kommt darin nicht vor, sie interessiert schlicht nicht. Dabei ist es keineswegs so, dass Frauen grundsätzlich keine Pornos mögen; man weiss mittlerweile, dass sie auf sexuell eindeutige Bilder genauso mit Erregung reagieren wie Männer. Trotzdem: Das Pornogeschäft ist ein Geschäft von Männern mit Frauen für Männer.
Um Sexpraktiken geht es nicht
Die schwedische Regisseurin Erika Lust war nicht für den PorYes nominiert, gewann aber letztes Jahr den Feminism Porn Award von Toronto. Die studierte Politikwissenschaftlerin sagte der «Welt»: «In gewöhnlichen Filmen dienen Frauen nur dazu, Männern Genuss zu bereiten, sie existieren weder als Menschen noch als Individuen.» Lusts Filme dagegen, feministische Pornos, die dem PorYes-Manifest von Laura Méritt entsprechen, fokussieren auf die weibliche Lust, zudem sind Frauen nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera tätig, und körperliche Stereotypen sind verboten, Vielfalt dafür umso wichtiger.
Der letzte Punkt gilt selbstverständlich auch für Männer, die in gewöhnlichen Pornos genauso Klischees unterliegen wie Frauen. Das heisst, dass der Penis bei Lust & Co. nicht immer ganz so gross sein muss. Und durchaus einmal hängen darf. Ihr gehe es, sagt Lust weiter, ohnehin nicht um Sexualpraktiken, sondern darum, «ästhetisch anspruchsvolle Filme zu machen, in denen Menschen Sex haben». Weil das Angebot immer noch vergleichsweise winzig ist in diesem Sektor, veröffentlichte Lust im September ein lesenswertes Buch mit dem Titel «X-Porno für Frauen», eine Art «Wegweiser durchs Pornodickicht für alle, die sich endlich gute Sexfilme wünschen».
Eine langatmige Geschichte braucht die weibliche Lust nicht
Auch wenn sich Regisseurinnen wie Erika Lust oder Candida Royalle, Maria Beatty und Petra Joy der Ästhetik verschrieben haben, hat der feministische Porno nichts mit Frauenpornos zu tun, in denen meist eine romantisch-verbrämte Geschichte erzählt wird, weil man davon ausgeht, dass Frauen eine Handlung wünschten. Eben nicht. Der Sinn eines Pornos ist es ja gerade, sexuelle Erregung hervorzurufen, da kann es zwar ein längeres Vorspiel geben, eine langatmige Geschichte aber braucht die weibliche Lust nicht.
Für Laura Méritt sind das oft bloss weitere Projektionen, die mit den tatsächlichen Bedürfnissen von Frauen nicht das Geringste zu tun haben. Bei einem feministischen Porno geht es deshalb genauso zur Sache, aber, und das fällt sofort auf, die Optik ist eine andere. Die Frauen sehen aus wie normale Frauen mit normalen Körpern, bisweilen sind sie auch umwerfend schön oder überall tätowiert und gepierct, dennoch gibt es da keine grotesken Silikonbrüste und nirgends Plateau-High-Heels aus Plexiglas, die auch in der unbequemsten Stellung anbehalten werden. Und die Nahaufnahmen beschränken sich auf ein erträgliches Mass, der Penis des Mannes steht eindeutig nicht im Zentrum. Sein Samenerguss auch nicht; in feministischen Pornos spielt die für herkömmliche Pornos zentrale Handlung keine Rolle, und erst recht wird den Frauen nicht ins Gesicht ejakuliert.
Gegen Sexismus
Feminismus und Porno, das geht für die Initiantinnen sehr wohl zusammen, Sexpositivismus heisst das nämlich und ist in den frühen Achtzigern als Antwort auf die Antiporno-Bewegung in den USA entstanden. Das Äquivalent im deutschsprachigen Raum war 1987 die PorNo-Kampagne der Zeitschrift «Emma» unter der Führung von Alice Schwarzer, welche die Meinung vertrat, Pornos seien frauenfeindlich, erniedrigend und würden Männer zu Vergewaltigungen anregen.
Laura Méritt ist zumindest in den ersten zwei Punkten mit Schwarzer einverstanden und nach wie vor überzeugt, dass die Kampagne ihre Berechtigung hatte. Genauso wie damals die PorNo-Aktivistinnen haben auch die PorYes-Macherinnen entschieden etwas gegen die Mainstream-Pornografie, gegen Sexismus, menschen- und frauenverachtende Darstellungen. Im Grunde geht es beiden ums Gleiche. Der Unterschied ist bloss, dass Laura Méritt den Spiess umdreht, die Sache eben positiv sieht, denn Sexpositivismus bedeutet schlicht: Sexuelle Freiheit von Frauen ist ein grundlegender Bestandteil der Gleichberechtigung. Weshalb also sollen sich nur Männer mit eindeutigen Filmen vergnügen können? Annie Sprinkle, ehemalige Pornodarstellerin und Wegbereiterin der feministischen Pornos in den USA, wo es Preisverleihungen wie die von PorYes bereits seit zehn Jahren gibt, formulierte es einst so: «Die Antwort auf schlechte Pornos ist nicht gar kein Porno, sondern guter Porno.»
Kein Sport, sondern Spass
Wie Recht Méritt hat, wenn sie durchaus selbstbewusst erklärt, sie wolle mit ihren Filmen die Sexualität verändern, zeigt ein kurzer Streifzug durch die Website Youporn.com. Eine der weltweit am meisten angeklickten Seiten des Netzes zeigt Videos von Paaren beim Sex, die sich dabei selbst gefilmt haben. Das Erstaunliche dabei ist, wie sehr dabei sowohl Frauen wie Männer die Verhaltensmuster aus Pornos übernehmen. In den meisten Filmen ist die Frau dem Mann willig bis unterwürfig zu Diensten, dazu stöhnt sie derart künstlich, dass es dem Ganzen eine unfreiwillig komische Note verleiht. Währenddessen rammelt der Mann, als ginge es um sein Leben, und ist offenbar nicht sehr vertraut mit der weiblichen Anatomie. Am Ende wird der Frau fast ausnahmslos ins Gesicht ejakuliert.
Da könnten feministische Pornos Abhilfe schaffen. Bei denen ist Sex nämlich kein Ausdauersport, sondern schlicht eine entspannte Angelegenheit, die Spass machen soll.
Erika Lust: X – Porno für Frauen. Heyne- Verlag 2009. 28.90 Franken.
(Tages-Anzeiger)
Quelle: Bazonline.ch
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