„Guten Tag, mein Name ist Hans M. und ich bin schwul!“ Würden Sie sich so bei einem Bewerbungsgespräch vorstellen? Wahrscheinlich würden Sie es nicht tun, Sie würden es ebenso wenig tun wie ein Heterosexueller, der solch ein Gespräch meist auch nicht mit den Worten beginnt: „Guten Tag, mein Name ist Hans M. und ich stehe auf Oralsex; ich kann dreimal pro Nacht und mag Frauen mit grossen Brüsten“.

Outing ist so eine Sache; wem soll man wann wie erzählen, wie man sexuell tickt, dass man etwa als Mann Männer liebt, als Frau Frauen oder dass man es mag, beim Sex zu schlagen oder geschlagen zu werden? Vielleicht sollte man nicht komplett damit hausieren gehen, wie jener von uns als Beispiel gewählte Hans M., der den Job übrigens damals nicht bekam? Andererseits scheint es uns auch eine Qual zu sein, die eigene Neigung vor allzu vielen Menschen verstecken zu müssen. Nehmen wir an, jener Herr M. hätte den Job bekommen, vielleicht wäre es dann doch angenehmer, er könnte irgendwann mit seinem männlichen Lebenspartner zur Weihnachtsfeier des Betriebs kommen, ohne stets die Nachbarin zum Weihnachtsschauspiel in drei Akten (ohne Akt!) bitten zu müssen oder den notorischen Junggesellen zu geben? Je weniger Energie man darauf verwenden muss, seine Neigungen gegenüber anderen Menschen zu verstecken, desto mehr kann man sie in Genuss investieren. Ist schon eine schwierige Sache, dieses Outing, nicht wahr, die Frage nach dem „Wann“ und dem „Wie“.

Mitunter ist die schwierigste Geschichte das Outing vor dem eigenen Ich: Da schaut dann jemand Schwulenpornos und kasteit sich danach selbst (ohne dass Selbstkasteiungen ihm Freude bereiten), weil er sich wegen seiner Sünde abstrafen möchte. Ein anderer liest die Geschichte der O und verdrängt alle aufkommenden Gedanken, das Geschriebene und Artverwandtes einmal selbst ausprobieren zu wollen. Falls Sie zu jenen Menschen gehören, die bisweilen Schwulenpornos sehen, das irgendwie ganz reizend finden, dann aber vor Scham im Erdboden versinken möchten, dann stellen Sie sich vielleicht einmal, wenn Sie ganz alleine sind, nur Sie und Sie und wieder Sie mit sich selbst, vor einen Spiegel: Schauen Sie sich ins eigene Gesicht und sagen Sie es laut: „Ich bin schwul!“ oder „Ich bin zumindest ein bisschen bi!“. Sie müssen es ja nicht gleich so laut sagen, dass die Nachbarn auch Bescheid wissen; das können Sie eventuell später angehen. Aber Sie selbst, Sie sollten Ihre eigene Stimme deutlich hören: „Ich bin schwul!“ Es könnte der Beginn eines wunderbaren Lebens sein.