Christie Hefner liess Mitte Oktober eine Bombe platzen: Statt einen Firmendeal anzukündigen, wie von den Investoren erhofft, gab die Tochter von «Playboy»-Erfinder Hugh Hefner das Signal zum Rückzug. Das Unternehmen macht das DVD-Geschäft per sofort dicht, entlässt 80 Angestellte und setzt eine Sparvorgabe von 12 Millionen Dollar. Das Flaggschiff der Branche muss sich der Realität der kostenlosen Sex-Internetseiten beugen.
«Wir stehen vor der gleichen Krise wie Hollywood vor 50 Jahren», sagt Ali Joone, Chef von Digital Playground, nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei Sexfilmen, dem «Tages-Anzeiger». Die Branche habe zu lange zu viel minderwertige Ware hergestellt. «Diese Dutzendware ist nun kostenlos im Internet zu haben und untergräbt das ernsthafte Adult-Movie-Business. Wer mit einem Quick-Fix zufrieden ist, wird im Internet wohl auf seine Rechnung kommen; doch eine Zukunft hat dies doch nicht,» sagt der Produzent.
Joone glaubt, dass die Sexfilmindustrie ähnlich wie die Hollywoodstudios die Krise angehen müssen, indem sie Stars mit einem persönlichen Profil aufbaut, sie im Schauspielern ausbildet und auf längere Frist – im Sexfilmgeschäft sind das zwei bis fünf Jahre – vermarktet. «Wenn die Kunden in Zukunft noch für eine DVD bezahlen wollen, dann erwarten sie zu Recht technisch hochstehende Filme und Girls mit glaubwürdigem Talent.»
Websex verdirbt das DVD-Geschäft
Was Joone nur andeutet, ist die Tatsache, dass die Sexfilmindustrie lange Zeit sehr fürstlich von miserablen Streifen lebte. DVDs machten bis vor zwei Jahren 80 Prozent des Umsatzes aus, bei einem weltweiten Umsatz von mehr als 12 Milliarden Dollar. Der DVD-Absatz ist indessen wegen der kostenlosen Websites massiv auf noch 30 Prozent des Geschäfts eingebrochen.
Playboy zählte im September auf den kostenpflichtigen Webseiten noch knapp zwei Millionen Besucher, wie die Marktforschungsfirma compete.com ermittelte. Grosse Gratisanbieter wie redtube und youporn dagegen legten innert einem einzigen Jahr von einer Million auf drei bis vier Millionen Nutzer zu. Der Trend scheint unaufhaltbar. Playboy wird wegen der unsicheren Zukunft an der Börse noch mit 80 Millionen Dollar bewertet, der Hälfte des effektiven Firmenwertes.
Der Zerfall des DVD-Geschäfts lässt sich auch an den Preisen nachvollziehen. Vor drei Jahren kosteten die Scheiben um die 20 Dollar, heute gehen die meisten für weniger als 10 Dollar über den Ladentisch, in einzelnen Fällen für 5 Dollar. Die Branche befinde sich im schlechtesten Zustand der letzten 25 Jahre, meint Ian Denchasy, Besitzer einer sogenannten Sexual Health Boutique in Mar Vista. «Wenn pro Woche 200 bis 300 neue Filme produziert werden, ist es natürlich nicht erstaunlich, wenn der Markt übersättigt wird und die Profite zurückgehen.»
Pornos fürs breite Publikum
Denchasy sieht Parallelen zur Musikindustrie, die ebenfalls wegen der Internet-Piraterie unter Druck geraten ist. «Im Unterschied zur Musikbranche aber kann die Sexindustrie nur beschränkt diversifizieren», so Denchasy. Er verweist auf die Hardrockband Van Halen, deren Alben auf dem Internet kostenlos bezogen werden können, die aber pro Jahr dennoch über 100 Millionen Dollar Umsatz macht, vor allem mit Tourneen und Merchandising von Waren. «Die einzige Möglichkeit für die Pornobranche ist, weit mehr als bis anhin das Massenpublikum anzusprechen», meint Denchasy.
Dies ist genau, was eine Handvoll von grösseren Herstellern wie Wicked, Vivid, Digital Playground oder Adam & Eve anpeilen. Ihre neuen Filme sind gemäss Ali Joone technisch auf Topniveau. Beschäftigt wird Personal der Hollywoodstudios, das sonst für Regisseure wie Steven Spielberg arbeitet.
Produziert werden anhand von dicken Drehbüchern zwei Versionen, eine massentaugliche Fassung, die auch von Warenhäusern wie Borders und auf Amazon angeboten wird. Eine zweite Hardcore-Version enthält dann sogenannt explizite Szenen und kostet deutlich mehr, 60 bis 70 Dollar pro DVD.
Die Verkaufszahlen scheinen diesem neuen Modell Recht zu geben. Digital Playground erzielte letztes Jahr mit einer Nachahmung des Hollywoodstreifens «Pirates of the Caribbean» einen einmaligen Rekord. Weltweit gingen die beiden Versionen von «Pirates» mehr als eine Million Mal weg, auch wenn einschlägige Filmkritiken dem Streifen höchst mittelmässige Noten gaben. Der im September gestartete Nachzieher «Pirates II, Stagnettis Rache» soll noch gefragter werden, hofft Joone. Mit Kosten von über 10 Millionen Dollar ist «Pirates II» der teuerste Sexstreifen aller Zeiten. «Wenn die Leute kein Geld mehr für Ferien haben, so haben Sie immer Geld für ein wenig Heimunterhaltung», meint Jo0ne.
Hoffen auf den virtuellen Sex
Mehr Umsatz hofft die Industrie zudem mit interaktiven Angeboten – in ihrem Fall mit digitalen Sexspielen – zu schaffen, nach dem Muster der Musikbranche. Virtueller Sex ist ein Hoffnungsschimmer, aber auch eine grosse Ironie, war es doch die Sexfilmbranche gewesen, die in den 80er-Jahren die VHS-Videos salonfähig machte und Hollywood den Weg wies. Es war ebenso die Pornobranche, die später der DVD ihren Platz im Markt verschaffte und die grossen Filmstudios zum Nachziehen zwang. Und schliesslich war es auch die Pornoindustrie, die als Erste das schnelle Geld auf dem Internet machte.
Das Glück hat sich gewendet. Der grosse Gleichmacher Internet stutzt auch die Sexfilmbranche zurück. Vielleicht weist Playboy einen Ausweg. Das Bunny-Unternehmen wird die Marke zunehmend in Lizenz vergeben, sei es für eine Parfümlinie oder Spielcasinos in Las Vegas und Macau. Selbst als grünes Unternehmen will sich Playboy präsentieren: Dieses Jahr verschickt es die Weihnachtskarten erstmals nicht mehr in Papierform, sondern ausschliesslich elektronisch.
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